Die folgende Version des Mythos stammt im Wesentlichen aus
Foster, B. (1995). From distant days... Myths, tales and poetry from Ancient Mesopotamia. CDI Press, Bethesda.
Es wurden zur Erläuterung einige Passagen anderer Versionen wie der Morgan-Tafeln eingefügt, Fehlstellen wurden sinnvoll ergänzt, und der Text wurde zur Verbesserung der Lesbarkeit in Prosa-Form gebracht.
Die großen Anunnaki-Götter, die das Schicksal bestimmen, saßen und berieten über das Land. Die Igigi, zu Göttern erhöht für die Leute (laut den Morgan Tageln), hatten das Mauerwerk der Stadt bereits errichtet. Die Anunnaki, die Schöpfer der vier Weltregionen, die Erschaffer aller physischen Formen, befahlen den Igigi ein Fest für das Volk zu veranstalten.
Noch keinen König setzten die Götter ein, über die wimmelnden Völker. Zu jener Zeit war noch kein Kopfschmuck und keine Krone aufgesetzt. Auch war das Zepter nicht mit Lapis bestückt und es gab noch keinen Thron, den sie gebaut hätten. Vor der bewohnten Welt versperrten sie die Tore. Die Igigi hatten die Stadt mit Stadtmauern umgeben.
Inanna (Ischtar) kam vom Himmel herab um einen Hirten zu suchen. Sie suchte überall nach einem König. Enlil untersuchte den Werdegang Etanas, des Mannes, den Inanna unentwegt gesucht hatte.
"Möge das Königtum im Lande errichtet werden.
Möge das Herz von Kish freudig sein.
Mögen das Königtum, die strahlende Krone, der Thron errichtet werden."
In Gedenken an das Hohe Wasser hatte er [Etana?] einen Turm errichtet: einen Schrein für Adad, den Gott. Im Schutze dieses Schreins wuchs eine Pappel [der Huluppu Baum]. In ihrer Krone ließ sich der Adler [Anzu] nieder, an ihrer Wurzel die [Usumgallu] Schlange. Täglich beobachteten sie die Windtiere [die Lilith?].
Der Adler machte sich bereit zu sprechen und sagte zu der Schlange:
"Komm, lass uns Freundschaft schließen, lass uns Kameraden sein, du und ich."
Die Schlange machte sich bereit zu sprechen und sagte zu dem Adler:
"Wenn du tatsächlich auf Freundschaft aus bist, dann lasst uns einen mächtigen Eid auf Utu (Schamasch) schwören.
Komm, lass uns aufbrechen und auf den hohen Berg gehen, um zu jagen. Lasst uns [vorher] einen Eid bei der Unterwelt schwören."
Vor Utu, dem Krieger, schworen sie folgenden Eid:
"Wer auch immer die Grenzen von Utu überschreitet, den möge Utu als Übeltäter in die Hände des Henkers geben.
Wer auch immer die Grenzen von Utu überschreitet, von dem mögen die Berge ihre Lobpreisungen zurückziehen. Möge die herannahende Waffe direkt auf ihn zusteuern. Möge die Falle und der Fluch des Utu ihn stürzen und ihn zur Strecke bringen!"
Zusammen waren sie schwanger, zusammen gebaren sie. Im Schatten der Pappel gebiert die Schlange, während der Adler über ihr geboren hat. Dann zogen sie los und stiegen die hohen Berge hinauf. Jeden Tag hielten sie abwechselnd Ausschau nach den wilden Tieren um zu jagen.
Der Adler würde wilde Ochsen und Gazellen jagen.
Die Schlange würde essen, sich abwenden, und dann würden ihre Kinder essen.
Der Adler würde wilde Schafe und Auerochsen jagen.
Die Schlange würde essen, sich abwenden, und dann würden ihre Kinder essen.
Die Schlange würde die Tiere des Feldes jagen, die Geschöpfe der Erde.
Der Adler würde fressen, sich abwenden, und dann würden seine Kinder essen.
Die Kinder des Adlers wurden groß und gediehen. Nachdem die Kinder des Adlers groß geworden waren und aufblühten, schmiedete das Herz des Adlers böse Pläne. Böses plante sein Herz in der Tat! Er dachte daran, die Jungen seines Freundes zu essen!
Der Adler machte sich bereit zu sprechen und sagte zu seinen Kindern:
"Ich will die Kinder der Schlange fressen, die Schlange [wird mir untertan sein?], denn ich will hinaufsteigen und im Himmel wohnen. Wenn ich von der Krone des Baumes herabsteige [um die Kinder der Schlange zu verspeisen, werde ich gleich ihrem?] König."
Der kleinste Vogel, der sehr weise war, sagte diese Worte zu seinem Vater, dem Adler:
"Friss nicht, mein Vater! Das Netz von Utu wird dich jagen. Das Netz und der Schwur vor Utu werden dich umstürzen und dich jagen. Wer auch immer die Grenzen von Utu überschreitet, Utu wird ihn als Übeltäter in die Hände des Henkers geben!"
Er beherzigte es nicht und hörte auch nicht auf die Worte seiner Söhne. Er stieg hinab und verschlang die Kinder der Schlange.
Am Abend desselben Tages kam die Schlange und trug ihre Last. Am Eingang zu ihrem Nest warf sie das Fleisch hinunter. Sie sah sich um, ihr Nest war weg. Sie schaute hinunter, ihre Kinder waren nicht mehr da! Der Adler hatte mit seinen Krallen den Boden aufgerissen. Die Staubwolke im Himmel verdunkelte den Himmel.
Die Schlange weinte vor Utu. Vor Utu, dem Krieger, rannen ihre Tränen herunter:
"Ich vertraute auf dich, oh Krieger Utu. Ich war diejenige, die dem Adler Vorräte gab. Nun sieh mein Nest! Mein Nest ist weg, während sein Nest sicher ist. Meine Jungen sind zerstört, während seine Jungen in Sicherheit sind. Er ist herabgestiegen und hat meine Kinder verschlungen!
Du weißt, o Utu, was er mir angetan hat, Wahrlich, Utu, dein Netz ist die ganze Erde, deine Schlinge ist der Himmel. Der Adler darf nicht aus deinem Netz entkommen, dieser bösartige Anzu, der seinen Freunden Böses antut!"
Als er das Wehklagen der Schlange gehört hatte, machte sich Utu bereit, zu sprechen, und sagte zu ihr:
"Geh deinen Weg und überquere den Berg. Ich habe für dich einen wilden Ochsen gefangen. Öffne seine Eingeweide, reiß ihm den Bauch auf. Legt einen Hinterhalt in seinem Bauch. Alle Vögel des Himmels werden herabkommen, um das Fleisch zu fressen. Der Adler wird mit ihnen herunterkommen, um das Fleisch zu fressen, denn er weiß nicht, welches Unheil ihn erwartet. Er wird nach dem saftigsten Fleisch suchen. Er wird um ihn herumlaufen. Er wird sich in die Hülle der Gedärme hineinarbeiten.
Wenn er hineinkommt, ergreife ihn bei seinen Flügeln. Schneide ihm die Flügelfedern ab und die Schwanzfedern. Rupfe ihn und wirf ihn in den Abgrund. Dort soll er vor Hunger und Durst sterben."
Wie Utu, der Krieger, befahl, ging die Schlange ging und überquerte den Berg. Dann erreichte die Schlange den wilden Ochsen. Sie öffnete sein Inneres und riss seinen Bauch auf. In seinem Bauch legte sie einen Hinterhalt. Alle Vögel des Himmels kamen herab, um das Fleisch zu fressen.
Wusste der Adler von dem Unheil, das ihn erwartete? Er wollte das Fleisch nicht mit den anderen Vögeln fressen! Der Adler machte sich bereit zu sprechen und sagte zu seinen Kindern:
"Kommt, lasst uns hinuntergehen und auch wir essen das Fleisch des wilden Ochsen"
Der kleine Vogel, der sehr klug war, sagte zum Adler, seinem Vater, diese Worte:
"Geh nicht hinunter, Vater, zweifellos lauert die Schlange im Inneren des wilden Ochsen."
Der Adler sagte zu sich selbst,
"Haben die anderen Vögel Angst? Wie kann es dann sein, dass sie das Fleisch in Ruhe fressen?"
Er beherzigte es nicht, er hörte nicht auf die Worte seiner Söhne. Er stieg herab und setzte sich auf den wilden Ochsen. Der Adler sah sich das Fleisch an, suchte davor und dahinter. Ein zweites Mal sah er sich das Fleisch an, suchte davor und dahinter. Er ging außen herum und arbeitete sich in die Hülle der Eingeweide vor. Als er hineinkam, packte ihn die Schlange an den Flügeln:
"Du bist eingedrungen... du bist eingedrungen...!"
Der Adler machte sich bereit zu sprechen und sagte zu der Schlange:
"Hab Erbarmen mit mir! Ich werde dir so viel schenken wie das Lösegeld für einen König!"
Die Schlange machte sich bereit zu sprechen und sagte zu dem Adler:
"Wenn ich dich freilasse, wie soll ich mich dann vor Utu verantworten? Deine Strafe würde auf mich zurückfallen. Auf mich, der dich bestrafen soll!"
Sie schnitt ihm die Flügelfedern und die Schwanzfedern ab. Sie rupfte ihn und warf ihn in eine Grube, auf dass er dort vor Hunger und Durst sterben solle.
Was ihn betrifft, den Adler, er flehte Tag für Tag zu Utu:
"Soll ich in einer Grube sterben? Wer weiß schon, wie deine Strafe über mich verhängt wurde? Rette mein Leben. Rette mich, der ich der Adler bin! Lass mich deinen Namen für alle Zeiten verkünden!"
Utu machte sich bereit zu sprechen und sagte zu dem Adler:
"Du bist böse und hast eine abscheuliche Tat begangen. Du hast einen Gräuel an den Göttern begangen, eine verbotene Tat. Hattest du nicht einen Eid geschworen? Ich werde mich dir nicht nähern. Aber siehe! Ein Mann, den ich dir schicken werde, wird dir helfen."
Etana, der König von Kish, flehte Utu Tag für Tag an:
"Oh Utu, du hast von meinem fettesten Schaf gegessen! Oh Unterwelt, du hast vom Blut meiner geopferten Lämmer getrunken! Ich habe die Götter geehrt und die Geister verehrt. Die Traumdeuter haben meinen Weihrauch verbraucht. Die Götter haben meine Lämmer als Schlachtopfer verbraucht.
O Herr, gib den Befehl!
Gewähre mir die Pflanze der Geburt!
Offenbare mir die Pflanze der Geburt!
Erleichtere mich von meiner Last,
schenke mir einen Nachfolger!"
Utu machte sich bereit zu sprechen und sagte zu Etana:
"Finde eine Grube, schau hinein. Ein Adler ist in sie hineingeworfen. Er wird dir die Pflanze der Geburt offenbaren."
Etana ging seinen Weg. Er fand die Grube, er sah hinein. Der Adler war hineingeworfen. Da war er, um ihn heraufzuholen!
Der Adler sah Etana an. Er sagte zu ihm:
"Du bist Etana, der König der wilden Tiere. Du bist Etana, [ ] unter den (?) Vögeln. Bring mich aus dieser Grube herauf. Gib mir deine Hand. Ich werde für alle Zeiten ein Loblied auf dich singen."
Etana sagte zu dem Adler diese Worte:
"Wenn ich dein Leben rette, wenn ich dich aus der Grube heraushole, von diesem Moment an müssen wir vereint sein. Du arbeitest für mich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. ..... [ ]"
Der Adler erwiderte:
"Ich werde dir die Pflanze des Lebens geben."
Als Etana dies hörte, füllte er die Vorderseite der Grube mit Erde. Er warf immer wieder Erde vor ihm hinein. Der Adler kam aus der Grube und er schlug dabei mit den Flügeln. Ein erstes Mal und ein zweites Mal... Und er schlug mit den Flügeln ..... Ein drittes Mal und ein viertes Mal... Und er schlug mit den Flügeln. Ein fünftes und ein sechstes Mal....
Der Adler fraß wie ein gefräßiger Löwe. Er gewann an Kraft. Der Adler machte sich bereit zu sprechen und sagte zu Etana:
"Mein Freund! Lass uns Freunde sein, du und ich! Bitte mich um alles, was du dir wünschst, und ich werde es dir geben."
Etana machte sich bereit zu sprechen und sagte zu dem Adler:
"Meine Sicht ist verdunkelt. Zeige mir, was vor mir verborgen ist".
Etana und der Adler werden Freunde. Etana hat Träume, von denen er dem Adler erzählt.[ ] Der Adler machte Etana den ersten Traum verständlich:
"Dein Traum ist verheißungsvoll, die Last ist erbracht. Sie wird [dir genommen werden]. Du hast [den Willen ] des Volkes getan. Du wirst [dein Schicksal] in deine Hand nehmen. Das heilige Band [zum Himmel] oben, [es liegt] zu deinen Füßen."
Etana sagte zu ihm, zu dem Adler. Mein Freund, ich habe einen zweiten Traum gehabt:
"[Es war] Schilf im Haus, in allen [Häusern], dem ganzen Land. Sie häuften eine Menge davon zu Haufen. [Die Schilfstengel? waren] Feinde, sie waren böse Schlangen, sie versperrten mir den Weg, sie lagen vor meinen Füßen."
Auch diesen Traum ließ der Adler Etana verstehen. [...] Dann hatte der Adler einen Traum. Der Adler machte sich bereit zu sprechen und sagte zu Etana:
"Wir gingen durch die Tore von An (Anu), Enlil und Enki (Ea). Wir gingen durch die Tore von Nanna, Utu, Adad und Inanna. Wir haben ihnen zusammen die Ehre erwiesen, du und ich. Ich sah ein Haus mit Fenstern, es hatte kein Siegel. Ich [sah durch das Fenster] und ging hinein. Darin saß eine bemerkenswerte junge Frau [Inanna?]. Sie war imposant und schön von Gestalt. Ein Thron war aufgestellt, aber der Boden war niedergetrampelt. Unter dem Thron kauerten Löwen. Als ich hineinging, sprangen die Löwen auf mich zu. Ich erwachte mit einem Schreck und schauderte [ ]".
Der Adler sagte zu ihm, zu Etana:
"Mein Freund, die [Zeichen] sind offensichtlich. Komm, lass mich dich in den Himmel bringen. Lege deine Brust an meine Brust, lege deine Hände an meine Flügelfedern, lege deine Arme an meine Seiten."
Er legte seine Brust an seine Brust, er legte seine Hände an seine Flügelfedern, er lehnte seine Arme an seine Seiten. Groß war in der Tat die Last, die auf ihm lag. Als er ihn eine Leuge hoch getragen hatte, sprach der Adler zu Etana:
"Schau, mein Freund, wie das Land jetzt ist. Sieh das Meer, suche seine Grenzen. Das Land ist hügelig... Das Meer ist ein Strom geworden."
Als er ihn eine zweite Leuge in die Höhe getragen hatte, sagte der Adler zu Etana,
"Schau, mein Freund, wie das Land jetzt ist! Das Land ist ein Hügel."
Als er ihn eine dritte Leuge in die Höhe getragen hatte, sprach der Adler zu ihm, sprach zu Etana,
"Sieh, mein Freund, wie das Land jetzt ist! Das Meer ist zu einem Wassergraben geworden".
Nachdem sie in den Himmel von An aufgestiegen waren, gingen sie durch die Tore von An, Enlil und Enki. Der Adler und Etana verneigten sich beide. Am Tor des Nanna angekommen, verneigten der Adler und Etana sich beide.
Das Ende der Geschichte fehlt, aber dies geht vermutlich so weiter, bis sie schließlich am Tor von Inanna ankommen, wo Etana dann in das unversieglete Haus mit dem leeren Thron geht, in dem Inanna bereits auf ihn wartet.)
Die Geschichte ist als Rätsel angelegt. Etana bat um die Pflanze der Geburt, also bat er nur um einen Nachfolger. Stattdessen gab ihm der Adler die Pflanze des Lebens, was bedeutete, dass ihm Unsterblichkeit verliehen wurde. Dafür trug er Etana in den Götterhimmel, wo bereits ein unversiegeltes Haus mit einem leeren Thron auf ihn wartete.
Die Pflanze des Lebens, auch Baum des Lebens genannt, ist wahrscheinlich die Pappel, die unter dem Schutz des Addad-Schreins steht. Sie war die ganze Zeit da, aber sie braucht ihren Bewohner, den Adler, um ihren Zweck zu erfüllen. Sie konnte ihren Zweck nicht früher erfüllen, weil der Adler in eine Grube geworfen wurde. Für weitergehende Interpretationen siehe Wellmann (2023).