Das Atrahasis Epos

Kurz vor der Sintflut war Atrahasis, auch genannt Utnapishtim, König von Shuruppak. Die Sintflut wurde anhand von Ablagerungen in Shuruppak auf etwa 2900 v. Chr. datiert. Der Mythos spielt daher in der Zeit bis etwa 2900 v. Chr. Verfasst wurde er etwa 1800 v. Chr.

Der Mythos handelt davon, dass, nachdem den Menschen Intelligenz verliehen wurde, deren Anzahl immer weiter anstieg und die Götter Maßnahmen ergreifen mussten, dies zu verhindern.

Der vorliegende Text kombiniert verschiedene Versionen des Mythos, so dass sich eine möglichst vollständige Version ergibt. Die Wortwahl wurde zum Teil geändert.



Visuelle Darstellung des Beginns der Sintflut, die im Atrahasis Epos beschrieben wird.

Übersetzung

Prolog

Als die Igigi statt der Menschen die Arbeit verrichteten, die Lasten trugen, leisteten sie harte Arbeit. Die Plackerei der Igigi war in der Tat groß, die Arbeit schwer, das Elend groß: die großen Anunnaki Götter ließen die Igigi die Last, die ihnen recht war, siebenfach tragen.

Der Aufstand der Igigi

An (Anu), Enlil und Enki nahmen eine Kiste mit Losen und zogen sie. So haben die Götter die Trennung vorgenommen. An bekam den Himmel für sich, Enlil bekam die Erde. Der Abzu, der Riegel, der das Wasser zurückhält, wurde dem weitsichtigen Enki zugeteilt. Als An in den Himmel hinaufgestiegen war und die Götter des Apsu hinabgestiegen waren, ließen die Anunnaki die Igigi die Arbeitslast tragen. An, der Vater, war im Himmel ihr König, Enlil war ihr Befehlshaber auf Erden. Ihr Kämmerer war Ninurta, ihr Kanalaufseher Ennugi.

Die Igigi hebten die Kanäle aus und hielten sie frei, die Lebensadern des Landes. Die Igigi verfestigten die Flussläufe des Tigris und des Euphrat. Quellen aus der Tiefe haben sie erschlossen. Brunnen haben sie eingerichtet. Sie türmten Erhöhungen auf, [zum Schutz vor den Fluten]. Es waren Jahre der Plackerei.

Sie zählten die Jahre der Belastungen. 3.6oo Jahre lang ertrugen sie die Last, harte Arbeit, Tag und Nacht. Sie stöhnten und beschuldigten ihren Vorgesetzten, schimpften über die Massen an ausgehobener Erde:

"Stellen wir Enlil zur Rede und bringen wir ihn dazu, uns von unserer harten Arbeit zu befreien! Kommt, lasst uns Enlil, unseren Anführer, aus seiner Behausung entfernen! Nun, ruft auf zum Kampf! Zum Aufstand lasst uns aufrufen, zum Krieg!"

Die Igigi hörten der Rede zu. Sie verbrannten ihre Werkzeuge, sie steckten ihre Räume in Brand und ihre Arbeitskörbe in Flammen. Sie gingen gemeinsam nach Ekur, zum Tor des Wohnsitzes von Enlil.

Als sie das Tor der Behausung von Enlil erreichten, war es Nacht. Das Haus Ekur war umzingelt, aber Enlil bemerkte es nicht!

Doch Kalkal war wachsam, und da es geschlossen war, hielt er das Schloss zu und bewachte das Tor. Kalkal weckte Nusku. Sie lauschten dem Lärm der Igigi. Dann weckte Nusku seinen Herrn und ließ ihn aus dem Bett steigen:

"Mein Herr, euer Haus ist umstellt, ein Pöbel rennt vor eurem Tor herum! Enlil, dein Haus ist umstellt, ein Haufen Leute rennt vor deinem Tor herum!"

Enlil ließ Waffen in seine Wohnung bringen. Er sprach mit seinem Wesir Nusku:

"Nusku, verriegle die Tür. Nimm deine Waffen und stell dich vor mich."

Nusku verriegelte die Tür, nahm seine Waffen auf und stellte sich vor Enlil. Nusku sprach zu Enlil:

"Mein Herr, dein Gesicht ist bleich wie eine Tamariske! Warum fürchtest du deine eigenen Söhne? Lass An zu dir herabsteigen, lass Enki zu dir kommen."

Die Beratung der Anunnaki

Enlil ließ An und Enki zu sich kommen. An, der König des Himmels, Enki, der König des Apsu, Enlil, der Befehlshaber der Igigi und Ninhursag (Mami), die Erschafferin der Menschheit, waren anwesend. Sie, die vier großen Anunnaki waren anwesend. Enlil stand auf und der Fall wurde vorgetragen. Enlil sprach zu den großen Göttern:

"Ist es gegen mich, dass sie sich erhoben haben? Soll ich kämpfen? Was habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen? Ein Pöbel rannte vor meinem Tor herum!"

An sprach zu Enlil, dem Krieger:

"Lass Nusku hinausgehen und von den Igigi berichten, die dein Tor umstellt haben."

Enlil gab Nusku den Befehl:

"Nusku, nimm deine Waffen auf, öffne das Tor! In der Versammlung der Götter verneige dich, dann steh auf und sage dem Pöbel:

'Euer Vater An, euer Befehlshaber Enlil, euer Kämmerer Ninurta und euer Kanalaufseher Ennugi haben mich geschickt um euch zu fragen: Wer ist für den Pöbel verantwortlich? Wer ist für die Kämpfe zuständig? Wer hat den Krieg erklärt? Wer rannte zum Tor von Enlil?'"

In der Versammlung der Götter verneigte sich Nusku. Dann ging er hinaus und verkündete die Botschaft. Die Igigi antworteten:

"Jeder einzelne von uns Igigi hat den Krieg erklärt! Wir haben dem Graben ein Ende gesetzt. Die Belastung war zu groß, sie bringt uns um! Unsere Arbeit ist zu schwer, die Mühe zu groß! Jeder einzelne von uns Igigi hat zugestimmt, mit Enlil abzurechnen."

Nusku nahm seine Waffen, kehrte zu Enlil zurück und berichtete, was die Igigi ihm sagten. Enlil hörte sich die Rede an. Seine Tränen flossen. Enlil wandte sich an An, den König des Himmels:

"Edler An, nimm ein Dekret mit in den Himmel, zeige deine Stärke. Im Beisein der Anunnaki rufe einen Gott herbei und lass ihn die Igigi vernichten!"

Enki erhob seine Stimme und sprach zu den Göttern, seinen Brüdern:

"Warum geben wir ihnen die Schuld? Ihre Arbeit ist in der Tat zu schwer, ihre Mühe ist zu groß. Jeden Tag ist die Erde erzittert. Das Warnsignal war laut genug, wir hörten das Geräusch ständig.

Ninhursag ist anwesend. Sie soll dem Menschen Intelligenz verleihen, damit er das Joch tragen kann, damit er fähig wird, die Arbeit zu verrichten. Lass den Menschen die Last der Igigi tragen! Lass Ninhursag Nachkommenschaft schaffen, und lass den Menschen die Last der Igigi tragen!"

Sie riefen Ninhursag, die weise Göttin an und fragten sie:

"Du bist die Schoßgöttin, die die Menschheit erschaffen hat! Verleihe dem Menschen jetzt Intelligenz, dass er das Joch trage! Lass ihn das Joch tragen, die Aufträge Enlils zu verrichten. Lass den Menschen die Last der Igigi tragen!"

Ninhursag antwortete den Göttern:

"Es ist nicht meine Aufgabe, dem Menschen Intelligenz zu verleihen, sondern die von Enki. Er muss zuvor alles rein machen! Wenn er mir reinen Lehm gibt, dann werde ich es tun."

Enki sprach zu den Göttern:

"Am ersten, siebten und fünfzehnten des Monats werde ich eine Reinigung durch Waschung vornehmen. Dann soll ein Igigi geopfert werden und die Götter sollen durch Untertauchen den Lehm reinigen. Ninhursag soll Lehm mit dem Fleisch und dem Blut des Igigi vermischen. Dann wird der Mensch mit dem Igigi in Lehm vermischt werden.

Lasst uns das Ereignis für immer hörbar machen. Lasst den Geist des Igigi aus seinem Fleisch entstehen. Lasst Ninhursag seinen Geist erschaffen und ihn verkünden als Zeichen seines Lebens. Lasst seinen Geist weiter existieren und es nicht vergessen."

Sie antworteten "Ja!" in der Versammlung, die großen Anunnaki, die die Schicksale bestimmen.

Dem Menschen wird Intelligenz verliehen

Am ersten, siebten und fünfzehnten Tag des Monats nahm Enki die Reinigung durch Waschung vor. Ilawela, der intelligent war, opferten sie in ihrer Versammlung. Ninhursag vermischte den Ton mit seinem Fleisch und Blut. Dann vermischten sie den Menschen mit dem Igigi in Lehm. Danach machte sie das Ereignis für immer hörbar: Der Geist des Igigi entstand aus seinem Fleisch. Ninhursag erschuf ihn und verkündete ihn als Zeichen seines Lebens. Der Geist existierte und vergaß es nicht.

Ninhursag ließ ihre Stimme hören und sprach zu den Igigi:

"Ich habe die Arbeit, die Enki mir aufgetragen hat, perfekt ausgeführt. Ein Igigi mitsamt seiner Intelligenz wurde geopfert. Ich habe die schwere Zwangsarbeit der Igigi abgeschafft. Ich habe dem Menschen die Plackerei aufgezwungen. Enki, du hast der Menschheit ihre Stimme verliehen. Ich habe das Joch der Igigi aufgehoben, ich habe Wiedergutmachung geleistet."

Die Igigi hörten ihrer Rede zu, wurden von ihrer Angst befreit und küssten ihr die Füße: Früher haben wir dich Ninhursag genannt, aber jetzt soll dein Name 'Herrin aller Igigi-Götter' sein.

Ninhursag hat diese Regeln für die Menschen gemacht:

"Ninhursag machte eine Zeichnung aus Mehl und übertrug sie auf einen Lehmziegel. Wo immer eine Frau entbindet und die Nabelschnur durchtrennt, soll der Lehmziegel neun Tage lang niedergelegt werden um Ninhursag zu ehren. Wenn das Kindbett aufgestellt wird, sollen die Frau und ihr Mann sich gegenseitig wählen. Inanna (Ischtar) soll sich an der Heirat von Ehefrau und Ehemann, im Haus des Schwiegervaters erfreuen. Die Feierlichkeiten werden neun Tage dauern, und sie werden Inanna (Ischtar) 'Ishhara' nennen. (ein paar Zeilen bzw. Regeln fehlen)"

Die Menschen machten neue Hacken und Spaten und bauten große Kanäle um die Menschheit zu ernähren und die Götter zu unterstützen.

Die Suruppu-Krankheit

6oo Jahre, weniger als 6oo, vergingen, und das Volk wurde zu groß, die Menschen zu zahlreich. Das Land war so lärmend wie ein brüllender Stier. Enlil wurde unruhig wegen ihres Lärms. Er musste sich den Lärm anhören. Er wandte sich an die großen Götter:

"Der Lärm der Menschen ist zu viel geworden, ich kann nicht mehr schlafen wegen ihres Lärms. Gib den Befehl, dass die Suruppu-Krankheit ausbrechen soll. Lass Namtar, den Gott der Krankheiten, ihrem Lärm ein Ende setzen! Lass die Krankheit wie einen Sturm zu ihnen hereinwehen."

Die Götter gaben den Befehl, und die Suruppu-Krankheit brach aus. Namtar machte ihrem Lärm sofort ein Ende. Die Krankheit brach über sie herein wie ein Sturm.

Der nachdenkliche Mann Atrahasis hielt sein Ohr für seinen Meister Enki offen. Er würde mit seinem Gott sprechen, und sein Gott Enki würde mit ihm sprechen. Atrahasis sprach zu seinem Herrn:

"Oh Herr, das Volk murrt! Deine Krankheit verzehrt das Land! Oh Herr Enki, das Volk murrt! Die Krankheit der Götter verzehrt das Land! Da du uns erschaffen hast, solltest du uns helfen. Wie lange werden die Götter uns leiden lassen? Werden sie uns ewig an Krankheiten leiden lassen?"

Enki sprach zu seinem Diener Atrahasis:

"Ruft die Ältesten, die führenden Männer und überbringe ihnen diese Nachricht: Fangt in eurem eigenen Haus an. Lasst die Zeremonienmeister dies verkünden, lasst es laut im Land verkünden: Verehrt nicht eure Götter, betet nicht zu euren Göttinnen, sondern sucht die Tür von Namtar auf. Bringt ein gebackenes Brot vor seine Augen. Möge das Mehlopfer ihn erreichen, möge er sich seiner Taten schämen, möge er sie beenden."

Atrahasis nahm den Befehl entgegen und überbrachte den Ältesten die Nachricht. Die Ältesten hörten sich seine Rede an. Sie bauten einen Tempel für Namtar in der Stadt. Die Zeremonienmeister verkündeten mit einem lauten Getöse im Land: Verehrt nicht euren Gott, beteten nicht zu eurer Göttin, sondern sucht die Tür von Namtar auf. Bringt einen gebackenen Laib in seine Gegenwart. Die Mehlgabe erreichte ihn. Er schämte sich für seine Taten und beendete sie. Die Suruppu-Krankheit verließ die Menschen. Die Menschen kehrten zu ihren üblichen Opfergaben zurück.

Die Dürre

Einige hundert Jahre später organisierte Enlil wieder eine Versammlung. Er wandte sich an die Götter und seine Söhne:

"Der Lärm der Menschen ist zu viel geworden. Ich kann wegen ihres Lärms nicht mehr schlafen. Es reicht nicht, sie wieder mit einer Krankheit zu belasten. Die Menschen haben nicht abgenommen, sie sind mehr als zuvor!

Ich bin durch ihren Lärm unruhig geworden, der Schlaf kann mich nicht übermannen! Schneidet den Menschen die Nahrung ab. Lass die Vegetation zu karg für ihre Mägen sein! Lass Adad in der Höhe ihnen den Regen vorenthalten. Lass die Quellen unten versiegen und kein Wasser aus den Quellen sprudeln! Lasst den Wind wehen, lasst ihn den Boden ausdörren! Möge das Feld seinen Ertrag verringern, möge Nissaba, die Göttin des Getreides, ihren Schoß verschließen. Lasst die grünen Felder bleich werden. Lasst das Land den kahlen Boden preisgeben. Möge die Erde ihren Schoß verschließen, so dass keine Vegetation sprießt, kein Getreide wächst."

Die Götter schnitten die Nahrung für die Menschen ab. Die Vegetation wurde zu karg für ihre Mägen. Adad in der Höhe ließ seinen Regen spärlich fallen, versperrte ihm den Weg nach unten. Kein Wasser ließen sie aus den Quellen fließen. Der Ertrag des Feldes verringerte sich. Nissaba verschloss ihren Schoß. Die grünen Felder wurden bleich. Das weite Land gab den kahlen Boden preis. Die Erde drückte ihren Schoß zu: Keine Vegetation spross, kein Getreide wuchs.

Als das zweite Jahr kam, hatten die Menschen die Vorräte aufgebraucht. Als das dritte Jahr kam, hatte der Hunger das Aussehen des Volkes verändert. Als das vierte Jahr kam, neigte sich ihre aufrechte Haltung. Ihre hoch aufgerichteten Schultern hingen herab. Die Menschen gingen gebeugt umher. Als das fünfte Jahr anbrach, würde eine Tochter ihre Mutter beim Heimkommen beobachten, aber eine Mutter würde ihrer Tochter nicht einmal die Tür öffnen. Eine Tochter würde auf die Waage schauen beim Verkauf ihrer Mutter, eine Mutter würde auf die Waage schauen beim Verkauf ihrer Tochter. Als das sechste Jahr kam, servierten sie eine verstorbene Tochter zum Essen, einen verstorbenen Sohn zum Essen. Es waren nur noch wenige Haushalte übrig. Ihre Gesichter waren mit Schorf wie Malz bedeckt.

Es gab aber einen, Atrahasis, dessen Ohr offen war für seinen Gott Enki. Atrahasis, der weise Mann, weinte täglich. Er trug ein Massakku-Opfer entlang der Flussweide, dessen Wasser fast versiegt war. Mitten in der Nacht brachte er ein Opfer dar. Er wandte sich an das Wasser:

"Möge das Wasser es aufnehmen, möge der Fluss es tragen, möge das Geschenk vor Enki, meinem Herrn, platziert werden. Möge Enki es sehen und an mich denken! So möge ich in der Nacht einen Traum sehen."

Als er die Nachricht auf dem Wasserweg geschickt hatte, setzte er sich an den Fluss und weinte. Der Mann weinte mit dem Gesicht zum Fluss, während sein Flehen zum Apsu hinunterging. Dann hörte Enki seine Stimme und meldete sich. Athrahasis sprach zu ihm:

"Oben füllt der Regen die Kanäle nicht. Unten fließt das Wasser nicht hoch aus den Quellen. Der Schoß der Erde hat nicht geboren, keine Vegetation ist gesprossen. Das grüne Weideland ist bleich geworden. Das weite Land gab kahlen Boden preis. Nur noch wenige Haushalte sind übrig. Wie lange werden die Götter uns leiden lassen? Werden sie uns ewig an der Dürre leiden lassen?"

Enki sprach zu seinem Diener Atrahasis:

"Ruft die Ältesten, die führenden Männer und überbringe ihnen diese Nachricht: Fangt in eurem eigenen Haus an. Lasst die Zeremonienmeister verkünden, lasst sie mit lautem Getöse verkünden: Verehrt nicht eure Götter, betet nicht zu euren Göttinnen, sondern sucht die Tür von Adad auf. Bringt ein gebackenes Brot vor seine Augen. Möge das Mehlopfer ihn erreichen, möge er sich seiner Taten schämen, möge er sie beenden. Dann wird er am Morgen einen Nebel entstehen lassen und in der Nacht wird er sich davonstehlen und Tau tropfen lassen und das Feld von der Dürre neunfach befreien, wie ein reumütiger Dieb."

Atrahasis nahm den Befehl entgegen und überbrachte den Ältesten die Nachricht. Die Ältesten hörten sich seine Rede an. Sie bauten einen Tempel für Adad in der Stadt. Die Zeremonienmeister verkündeten mit lautem Getöse im Land: Verehrt nicht euren Gott, beteten nicht zu eurer Göttin, sondern sucht die Tür von Adad auf. Bringt einen gebackenen Laib in seine Gegenwart. Die Mehlgabe erreichte ihn. Adad schämte sich für seine Taten und beendete sie. Am Morgen ließ er Nebel entstehen, und in der Nacht stahl er sich hinaus und ließ Tau tropfen, ließ das Feld von der Dürre neunfach befreien, wie ein reumütiger Dieb. Die Dürre verließ die Menschen. Die Menschen kehrten zu ihren üblichen Opfergaben zurück.

Die Sintflut

Ein paar hundert Jahre später waren die Menschen wieder so viele wie zuvor. Enlil war wütend auf Enki. Er rief Enki zu sich und sagte zu ihm:

"Wir, die große Anunnaki Götter, wir haben uns auf einen Plan geeinigt. An und Adad sollten oben wachen, ich sollte unten die Erde bewachen. Du solltest die Ketten der Igigi lösen und sie befreien, solltest die Produktivität der Menschen freisetzen, solltest die Kontrolle über die Menschen ausüben, indem du das Gleichgewicht hältst."

Enlil fuhr fort:

"Adad ließ den Menschen den Regen vorenthalten, ließ das Volk hungern, gab den Menschen Nissabas Getreide nicht zu essen. [Doch jetzt sind die Menschen wieder so viele wie zuvor. Du hast es nicht verhindert.]"

Enki wurde unruhig, während er saß. In der Versammlung der Götter nagte die Sorge an ihm. Sie waren wütend aufeinander, Enki und Enlil. Enlil fuhr fort:

"Du hast dem Menschen die Lasten auferlegt. Du hast der Menschheit eine Stimme gegeben. Du hast dafür einen Igigi wegen seiner Intelligenz geopfert. Du musst nun eine Flut erzeugen. Es ist in der Tat deine Macht, die gegen die Menschen verwendet werden soll! Du hast dem Plan zugestimmt! [Jetzt führe ihn auch aus und stelle das Gleichgewicht wieder her!] Lasst uns den weitsichtigen Enki einen Eid schwören!"

Enki ließ seine Stimme hören und sprach zu seinen Götterbrüdern:

"Warum soll ich einen Eid schwören? Warum sollte ich meine Macht gegen mein Volk einsetzen? Was ist die Flut, von der du mir erzählst? Ich weiß es nicht einmal! Könnte ich eine Flut gebären? Das ist Enlils Art von Arbeit! Lass ihn wählen: Lasst Schullat und Hanisch voraus marschieren. Lasst Erakal die Verankerungsstangen herausziehen. Lass Ninurta marschieren, lass ihn die Wehre zum Überlaufen bringen."

Die Götter einigten sich auf dieses vorgehen. Sie gaben einen ausdrücklichen Befehl. Enlil wird den Menschen Böses antun. Der weise Mann Atrahasis erfuhr im Traum von herannahendem Unheil und bat um einen weiteren Traum. Er sprach zu seinem Gott Enki:

"Zeige mir die Bedeutung des Traums, lasse mich sein Vorzeichen herausfinden."

Enki sprach zu seinem Diener Atrahasis:

"Du sagtest: 'Ich muss es im Traum herausfinden.' So Achte auf die Botschaft, die ich sagen werde! Mauer, höre mir zu! Schilfhütte, achte auf meine Worte! Mann von Shuruppak, Sohn von Ubara-Tutu, fliehe aus dem Haus, baue ein Schiff. Gib dein Hab und Gut auf, rette dein Leben und bringe den lebendigen Samen von jeder Art von Lebewesen in das Schiff. Was das Schiff betrifft, das du bauen sollst, so soll es gut bemessen sein: Seine Breite und seine Länge sollen im richtigen Verhältnis zueinander stehen. Dann stoßt es ins Meer.

Das Schiff, das du baust, bedecke es wie das Apsu, damit die Sonne nicht hineinsehen kann! Erstelle Oberdecks und Unterdecks. Das Takelwerk muss sehr stark sein, das Bitumen stark, um Festigkeit zu verleihen. Ich werde Regen auf dich fallen lassen."

Enki öffnete die Sanduhr und füllte sie. Er sagte ihm, dass der für die Sintflut vorhandene Sand für sieben Tage und Nächte reichen würde. Atrahasis empfing die Nachricht. Er versammelte die Ältesten an seiner Tür. Atrahasis ließ seine Stimme hören und sprach zu den Ältesten:

"Mein Gott ist bei eurem Gott in Ungnade gefallen. Enki und Enlil sind zornig auf einander geworden. Sie haben mich aus meinem Haus vertrieben. Da ich immer in Ehrfurcht vor Enki stehe, hat er mir von dieser Sache erzählt. Ich kann nicht länger in der Stadt bleiben. Ich kann meinen Fuß nicht länger auf Enlils Gebiet setzen. Ich muss zum Strand hinuntergehen und für meinem Gott arbeiten. Das ist es, was er mir auferlegt hat."

Die Ältesten verabschiedeten ihn. Der Zimmermann brachte seine Axt, der Schilfarbeiter brachte seinen Stein, ein Kind brachte Bitumen. Die Armen holten, was sie besaßen. Alles, was nötig war, sammelte Atrahasis zusammen. Am fünften Tag zeichnete er den Entwurf. In der Mitte waren die Seiten zehn Gar hoch. Zehn Gar betrug auch die Breite des Decks. Er fügte ein Vordach hinzu und schloss es ab. Er baute das Boot in sechs Stockwerken, was insgesamt sieben Stockwerke ergab. Das Innere jedes Stockwerks teilte er wiederum in neun Abteilungen. Gefäße für das Wasser im Inneren schnitt er aus. Er wählte einen Mast und fügte alles Notwendige hinzu. Drei Schar Pech schmierte er auf die Außenseite. Drei Schar Asphalt verwendete er für die Innenseite. Drei Schar Öl trugen die Männer in Gefäßen mit sich. Ein Schar Öl behielt er draußen und benutzte es für Opfer, während die anderen beiden Schar der Bootsmann verstaute.

Für den Tempel der Götter schlachtete er Ochsen. Tag für Tag schlachtete er Lämmer. Krüge mit Apfelwein, Öl und süßem Wein, große Schalen, wie fließendes Flusswasser, schüttete er als Trankopfer aus. Er machte ein Fest für die Götter wie das Neujahrsfest.

Er fügte oben und unten Takelage hinzu, und als alles fertig war, versank das Schiff zu zwei Dritteln seiner Höhe im Wasser. Mit allem, was er besaß, füllte er es. Mit allem Silber, das er hatte, füllte er es. Mit allem Gold, das er hatte, füllte er es. Mit Lebewesen aller Art füllte er es. Die Vögel, die am Himmel fliegen, das Vieh und die wilden Tiere des offenen Landes, brachte er an Bord. Er schiffte auch seine ganze Familie und seine Verwandten ein und seine Arbeiter - sie alle schiffte er ein.

Er lud seine Arbeiter zu einem Festmahl ein. Sie aßen, sie tranken. Aber Atrahasis ging und auf und ab, konnte nicht stillhalten und nicht zur Ruhe kommen. Er wartete darauf, Galle zu würgen. Das Angesicht des Wetters änderte sich. Adad brüllte aus den Wolken. Als Atrahasis den Lärm hörte, wurde Bitumen herbeigebracht und er versiegelte die Tür. Während er die Tür verschloss, brüllte Adad weiter aus den Wolken. Die Winde tobten, während er hinaufstieg, das Seil durchtrennte und das Schiff freigab. Er vertraute die Führung des Schiffes dem Bootsmann an, vertraute ihm das große Haus und den Inhalt darin an.

Am Horizont erhob sich eine schwarze Wolke, in der Adad, der Wettergott, donnerte. Die Thronträger Schullat und Hanisch gingen ihm voran, über Berg und Tal. Errakal riss die Pflöcke aus, die das Wasser zurückhielten. Mit Ninurta ging er zusammen, ließ die Wehre überquellen. Sie brachten die Ufer zum Überlaufen. Der Sturm, den die Götter heraufbeschworen hatten, fegte bis zum Himmel hinauf und alles Licht verwandelte sich in Finsternis.

Am ersten Tag walzte der Sturm das Land rasend nieder. Dann brachte der Ostwind die Flut, die wie ein Schlachtengemetzel mit Wucht über die Menschen kam. Sie erhob sich an einem Tag über die Berge. Wie ein Ansturm in der Schlacht stürzte sie sich auf die Menschen. Der Bruder konnte den Bruder nicht retten. Keiner konnte den anderen sehen. Die Sintflut brüllte wie ein Stier, wie ein wilder Esel heulten die Winde. Die Finsternis war total, es gab keine Sonne. Wie Fische füllen die Menschen das Meer.

Die Lippen von Ninhursag, der großen Herrin, wurden von Reif überkrustet. Die Hebamme der Götter, die weise Ninhursag flehte:

"Das Tageslicht, lass es zurückkehren!

Wie habe ich in der Versammlung der Götter eine solche Zerstörung mit anordnen können? Enlil war stark genug, seinen Befehl durchzusetzen. Wie Tiruru hätte er diesen bösen Befehl aufheben müssen! Ich hörte das Geschrei der ertrinkenden Menschen, das sich an mich richtete, an mich selbst, an meine Person.

Jetzt sind meine Nachkommen wie weiße Schafe geworden. Was mich betrifft, wie soll ich leben in einem Haus des Verlustes? Der Lärm hat sich in Stille verwandelt. Könnte ich weggehen, hinauf in den Himmel, und wie in einem Kloster leben? Was war die Absicht Ans als Entscheidungsträger? Es war sein Befehl, dem die Götter und seine Söhne gehorchten. Er, der nicht nachdachte, sondern die Sintflut schickte, Er, der die Menschen in die Katastrophe führte."

Ninhursag jammerte:

"Hätte ein wahrer Vater das wogende Meer geboren, das die Leichen den Fluss wie Libellen (?) verstopfen lässt? Die Leichen werden wie Flöße an ein Ufer auf offenem Land gespült werden! Ich habe sie gesehen und weinte über sie! Soll ich jemals aufhören, um sie zu weinen?"

Ninhursag weinte, sie ließ ihren Gefühlen freien Lauf. Die Götter weinten mit ihr um das Land. Sie war gesättigt vor Kummer, sie sehnte sich vergeblich nach Bier. Wo sie saß und weinte, saßen auch die großen Götter, aber wie Schafe blöken, so konnten sie nur ihre Pfeifen füllen.

Sechs Tage und Nächte wehte der Wind. Sturm und Unwetter überzogen das Land. Als der siebte Tag kam, begannen sich der Sturm und das Unwetter, das die Götter wie ein großes Heer geführt hatten, zu legen. Das Meer beruhigte sich. Der Sturm und das Unwetter hörten auf. Atrahasis blickte auf das Meer hinaus und erhob laut seine Stimme, aber die ganze Menschheit war wieder zu Lehm geworden, so wie das umliegende Feld zum Bett der Flüsse geworden war. Er hatte das Luftloch des Schiffes geöffnet und Licht fiel auf seine Wange. Erschrocken sank er zurück und saß weinend da, während über seine Wangen Tränen flossen. Er schaute in alle Richtungen, und siehe da, alles war Meer. Nun, nach zwölf Tagen, erhob sich aus dem Wasser ein Streifen Land. Das Schiff trieb zum Berg Nisir. Auf dem Berg Nisir blieb das Schiff fest, und es glitt nicht weg.

Am ersten Tag, am zweiten Tag, hielt der Berg Nisir das Schiff fest und ließ es nicht weggleiten. Auch am dritten Tag und am vierten Tag ließ es nicht entgleiten. Am fünften Tag und am sechsten Tag hielt der Berg Nisir das Schiff noch immer fest und ließ es nicht entgleiten. Als der siebte Tag kam, sandte Atrahasis eine Taube aus und ließ sie fliegen. Die Taube flog hin und her, aber da es keinen Ort gab, an dem sie sich ausruhen konnte, kehrte sie zurück. Dann sandte er eine Schwalbe aus und ließ sie fliegen. Die Schwalbe flog hin und her, aber da es keinen Platz zum Ausruhen für sie gab, kehrte auch sie zurück. Dann schickte er einen Raben aus und ließ ihn fliegen. Der Rabe flog weg und sah, dass das Wasser zurückging. Er flog weg, ließ sich nieder um zu fressen und kam nicht mehr zurück.

Dann ließ Atrahasis alle aus dem Schiff steigen und brachte ein Opfer dar. Er schüttete ein Trankopfer auf dem Gipfel des Berges aus. Er stellte die Räuchergefäße auf und schüttete Kalmus, Zedernholz und süßen Weihrauch hinein. Die Götter rochen den Duft und versammelten sich wie Fliegen über den Opfergaben. Als sie das Opfer gegessen hatten, stand Ninhursag auf und tadelte sie alle:

"Was ist über An gekommen, der die Entscheidungen trifft? Hat Enlil es gewagt, zum Rauchopfer zu kommen? Die beiden, die nicht nachgedacht, sondern die Sintflut geschickt haben, haben die Menschen in die Katastrophe getrieben. Sie haben die Zerstörung beschlossen. Nun sind ihre weißen Westen befleckt, für immer!"

Die Lehre

Der Krieger Enlil entdeckte das Schiff und war wütend.

"Wir, die große Anunna, wir alle, haben uns auf einen Schwur geeinigt! Kein Leben sollte entkommen! Wie konnte ein Mensch die Katastrophe überleben?"

An verschaffte sich Gehör und sprach zu dem Krieger Enlil:

"Wer außer Enki würde so etwas tun? Er sorgte dafür, dass die Schilfhütte den Befehl verriet."

Enki sprach zu den großen Göttern:

"Ich habe es getan, dir zum Trotz! Ich habe dafür gesorgt, dass das Leben erhalten bleibt."

[Enlil bestand darauf, dass Enki jetzt aber dafür zu sorgen habe, dass das Gleichgewicht erhalten bleibt. (?)] Enlil sprach zum weitsichtigen Enki:

"Kommt, ruft die Schoßgöttin Ninhursag herbei! Besprecht euch in der Versammlung."

Enki sprach zu der Schoßgöttin Ninhursag:

"Du bist die Schoßgöttin, die Schicksale bestimmt. Verfüge dieses Schicksal über die Menschen:

Ein Drittel der Frauen soll gebären, ein weiteres Drittel von Ihnen soll nicht gebären. Nun denn, es soll ein weiteres Drittel geben. Die dritte Frau soll gebären, aber nicht erfolgreich gebären. Es soll der Pasittu-Dämon unter den Menschen sein, der das Kind aus dem Schoß der Mutter reißt. Die Hohepriesterinnen und Priesterrinnen, sie sollen tabu sein. So sollen die Geburten kontrolliert werden."

[Ninhursag richtete diese Worte an Enki (?):]

"Wir Götter schickten die Sintflut, aber der Mensch überlebte die Katastrophe. Du Enki bist Berater der Götter. Als ich auf deinen Befehl hin dem Menschen Intelligenz verlieh, habe ich den Konflikt ausgelöst. Lass die Igigi dieses Lied hören, um dich zu preisen, und lass sie deine Größe aufzeichnen. Ich werde allen Menschen von der Sintflut erzählen: Hört!"

Interpretation

Von diesem Mythos gibt es verschiedene Versionen, die leicht voneinander abweichen. Der vorliegende Text wurde so zusammengestellt, dass sich eine möglichst kohärente Handlung ergibt. Manche Versionen des Epos suggerieren, dass in ihm die Menschen erschaffen wurden. Das würde einen logischen Widerspruch zum Anfang des Mythos ergeben, in dem von einer Zeit gesprochen wird, als die Götter Menschen waren. Es gab also bereits zu jener Zeit Menschen. In der vorliegenden Version des Mythos waren die Menschen bereits erschaffen und es wurde ihnen nur Intelligenz gegeben.

Der Epos beginnt damit, dass die Igigi als Menschen inkarnierten und die Steppe durch den Bau von Bewässerungsanlagen in eine fruchtbare Landschaft verwandelten. Die Igigi taten dies im Auftrag Enlils. Die Menschen hatten diese Arbeit nicht gemacht, weil sie nicht intelligent genug dazu waren.

Da den Igigi die Arbeit zu schwer war, legten sie sie nieder und rebellierten. Da den Igigi Recht gegeben wurde, wurde den Menschen Intelligenz verliehen, so dass sie die Arbeiten selber verrichten konnten. Enki wurde beauftragt, das Gleichgewicht zu halten, d.h. die Zahl der Menschen zu beschränken.

Da die Meschen jetzt intelligent waren, nahm ihre Anzahl immer weiter zu, bis es zur Überbevölkerung kam. Enki wollte den Menschen ein guter Gott sein und unternahm daher nichts um das Bevölkerungswachstum zu beschränken.

Als die Zahl der Menschen aber zu groß wurde, blieb den Göttern nichts anderes übrig als einzugreifen und die Bevölkerung zu dezimieren. Dies taten sie zuerst mit einer Krankheit, dann mit einer Dürre, und zuletzt mit der Sintflut.

Enki sah schließlich ein, dass er den Menschen eine Bürde auferlegen mußte, damit die Götter nicht immerzu Katastrophen hinaufbeschwören mussten. Er tat dies, indem er Ninhursag verfügen ließ, dass ein Drittel der Frauen Kinder bekommen soll, dass ein Drittel der Frauen keine Kinder bekommen soll und ein weiteres Drittel zwar gebären soll, aber nicht erfolgreich gebären soll. Dies sollte die Population der Menschen stabilisieren.