Interpretation von Enlil und Ninlil
Interpretation von Enlil und Ninlil
Zusammenfassung des Mythos
Der Mythos ist deutlich komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint. Er kann wie folgt zusammengefasst werden:
In der Zeit, als die Götter Menschen waren und nur wenige Menschen die Städte bevölkerten, lebte Enlil als junger Mann in Nippur. Enlil war der schönen Ninlil verfallen. Ninlil, obwohl sie ihm nicht abgeneigt war, folgte dem Rat ihrer Eltern und lehnte Enlil wegen ihrer Unerfahrenheit und Jugend ab. Enlil missbrauchte dann mit Hilfe seines Ministers Nuska seine Macht und verlieh ihr mehr Reife und Anziehungskraft. Dies erlaubte ihm, einvernehmlichen Sex mit Ninlil zu haben und sie mit Nanna, dem späteren Mondgott, zu schwängern.
Da Enlil seine Macht missbraucht hatte, als er die Riten der Götter durcheinandergebracht hatte, musste er zur Strafe Nippur verlassen und die Unterwelt aufsuchen. Ninlil folgte ihm in einiger Entfernung. Mit allen Männern, mit denen Enlil auf seinem Weg gesprochen hatte, kam Ninlil daraufhin zusammen. Hierbei wurden Nergal, Ninazu und Enbilulu gezeugt.
Zum Schluß des Mythos wird Enlil lobgepriesen als ein Gott, dessen Äußerungen nicht verändert werden können. Er wird dafür gelobt, Ninlil als Göttin der Fruchtbarkeit etabliert zu haben. Von besonderer Bedeutung ist dieser Mythos auch, weil in ihm der einflußreiche Mondgott Nanna gezeugt wird, der der Vater von Inanna und Utu ist.
Deutung
Häufig wird in den Interpretationen des Mythos die entscheidende Stelle, an der Enlil die Riten der Götter durcheinanderbrachte, indem er das Schicksal Ninlils abänderte, übersehen. Wahrscheinlich war er als junger Mann noch nicht dazu befugt, Schicksale zu verfügen. Vielleicht durfte er zwar Schicksale verfügen, aber nicht die Schicksale hochstehender Götter wie Ninlil. Da er es dennoch tat, sahen sich die übrigen Götter in ihrer Macht bedroht und verbannten ihn aus der Stadt.
Es ist unklar, ob er den Weg zur Unterwelt aus freien Stücken gegangen ist, oder ob er dahin verbannt werden sollte. Jedenfalls gelang es ihm, als er auf dem Weg dahin war, durch die Zeugung Nergals und Ninazus, seinen Einfluss auf die Unterwelt auszuweiten, weshalb er sie dann wohl doch nicht aufsuchen musste.
Als er am Fährboot ankam, war ihm vermutlich bereits klar, dass er es nicht mehr besteigen musste. Daher ließ er hier keinen weiteren Unterweltsgott zeugen, sondern Enbilulu, den er später mit der Überwachung des Kanalbaus beauftragen sollte.
Wie Ninlil es selbst betont hatte, war die Zeugung von Nergal, Ninazu und Enbilulu Teil eines strategischen Plans und diente nicht etwa der Befriedigung sexueller Bedürfnisse. Die Zeugung von Nergal, Ninazu und Enbilubu erlaubte es Enlil, seine Macht zu festigen.