Die Göttin Inanna (Ischtar)

Inanna war eine der mächtigsten Gottheiten des sumerischen Pantheons – Göttin der sexuellen Begierde und des Krieges, Schutzpatronin von Uruk. Ihre vielschichtige Persönlichkeit reichte von der verführerischen Liebhaberin bis zur rachsüchtigen Kriegerin. Bekannt wurde sie durch mythologische Coups wie der Entwendung der göttlichen Kräfte (Me) von Enki und die Etablierung der „Heiligen Hochzeit“ als Legitimation ihrer Herrschaft.

Die Göttin Inanna (Ischtar)

Position im Pantheon

Inanna (akkadisch: Ischtar) gehört als Tochter von Nanna und Ningal zur zweiten Ebene der Anunnaki. Als Göttin der sexuellen Begierde und des Krieges ist sie eine mächtige Gottheit des sumerischen Pantheons. Ihre zentrale Rolle besteht in der Kontrolle und Weiterentwicklung der städtischen Kultur, insbesondere durch ihre Position als Herrin von Uruk.

Ihre wichtigsten Aufgaben umfassen:

  • Die Förderung der Entwicklung der Städte, in denen ihre Tempel stehen
  • Die Gewährleistung guter Ernten und des Wohlstands der Bevölkerung
  • Die Vergrößerung der Einwohnerzahl ihrer Städte
  • Die Beeinflussung der Herrschaft von Königen durch die „Heilige Hochzeit“
  • Die Führung in Kriegszeiten als Schutzpatronin der Kämpfenden
  • Die Förderung und der Schutz der romantischen Liebe

Ihre Hauptwirkungsstätte ist die Stadt Uruk mit dem Tempel E-ana, den sie laut dem Mythos „Inanna und An“ vom Himmel auf die Erde brachte. Später dehnte sie ihren Einflussbereich auch auf andere Städte aus, wie etwa die mythologische Stadt Aratta, was gelegentlich zu Interessenskonflikten führte, wenn diese Städte gegeneinander Krieg führten.

Charakter und Erscheinung

Inanna wird als temperamentvolle und manchmal unberechenbare Göttin dargestellt, die ihre Ziele mit allen Mitteln verfolgt und dabei häufig Kollateralschäden verursacht. Sie ist ehrgeizig und strebt nach politischer Macht, wobei sie ihre Verführungskraft gezielt einsetzt, um sumerische Könige und andere Götter zu beeinflussen. Als unabhängige Kriegerin ist sie bereit, für ihre Ziele zu kämpfen. Sie kann dabei auch rachsüchtig sein, wenn sie ihre Interessen nicht durchsetzen kann und zurückgewiesen wird.

Ihre Persönlichkeit wurde zum Teil bereits bei ihrer Geburt von ihrer Mutter Ningal im Mythos „Nanna und Ningal“ prophezeit:

„Meine Tochter Inanna wird die große Göttin der Liebe und des Krieges sein, Geliebte und Liebende in Einem. Weise, leidenschaftlich, sinnlich, all das und mehr wird sie sein. Sie wird die Verkörperung der Liebe sein, sowohl spirituell als auch höchst physisch, das innere Licht, das allen Lebenden in allen Welten Helligkeit, Leidenschaft, Heilung und Fruchtbarkeit bringt.“

Als menschliche Gestalt wird Inanna als äußerst attraktive junge Frau von etwa 30 Jahren dargestellt. Als Kriegsgöttin trägt sie oft Pfeil und Bogen, was ihr das Aussehen einer Amazone verleiht. Ihre jugendliche Erscheinung steht in deutlichem Kontrast zu den älteren Göttern der obersten Ebene wie Enlil oder Enki. Im Mythos „Enki und die Weltordnung“ wird ihr unkonventionelles Vorgehen deutlich beschrieben:

„Siehe Inanna, du häufst Menschenköpfe auf wie Staubhaufen, du säst neue Köpfe aus wie Samen. Inanna, du hast zerstört, was nicht zerstört werden kann. Du hast das Unbegreifliche erdacht. […] Junge Inanna, du weißt nicht, wie man Seile an tiefe Brunnen knüpft.“

Was hier als Kritik geäußert wird ist eigentlich Teil ihrer Strategie: Sie motiviert die Bewohner ihrer Stadt Uruk sich zu vermehren und viele Kinder zu haben, und nutzt dann den Überschuss an Einwohnern als Krieger, die ihr helfen, den Einflussbereich ihrer Stadt Uruk zu vergrößern.

Lebenslauf

Inannas Geschichte beginnt mit ihrer Geburt als Tochter des Mondgottes Nanna und der Traumdeuterin Ningal. Ihr Bruder ist Utu, der Gott der Sonne.

Inanna wird zunächst Göttin der noch jungen Stadt Uruk. Der Mythos „Inanna und An“ erzählt, wie sie als eine ihrer ersten Handlungen den Tempel E-ana vom Himmel auf die Erde, nach Uruk, bringt. Sie hatte zunächst mit An geschlafen, in der Hoffnung, dass er ihr dafür den Tempel E-ana schenken wird. Da An dies nicht tat, hatte sie ihm den Tempel gestohlen. An fand sich schließlich damit ab, da er erkannte, dass der Tempel auf der Erde mehr von Nutzen wäre. Diese Episode im Mythos „Inanna und An“ zeigt bereits manche ihrer Charaktereigenschaften: Sie versucht zunächst denjenigen zu verführen von dem sie etwas möchte und wenn sie dabei nicht bekommt, was sie will, nimmt sie es sich trotzdem oder reagiert rachsüchtig.

Als An seinen Tempel an Inanna verloren hatte, billigte er, dass sie ihn behält, aber er forderte von ihr: Sie solle ihn sinnvoll nutzen und die Menschen zahlreich machen. Wie Inanna dies in die Tat umsetzte, wird im Mythos „Enki und die Weltordnung“ beschrieben: Sie forderte die Menschen zur Kopulation auf den offenen Plätzen von Uruk auf.

Als Uruk mit der Zeit zu einer Stadt heranwuchs, bemerkte sie, dass der Stadt die göttlichen Kräfte fehlten mit denen Sie Uruk zur Blüte bringen wollte. Sie beschloss daher, nach Eridu zu gehen um Enki die göttlichen Kräfte abzunehmen. Das Fassen dieses Entschlusses und ihr Fortgehen von Uruk werden in der Einleitung des Mythos „Inanna und Enki“ beschrieben:

Sie ging durch das offene Land.

Sie trug ihre Shugurra,

die Krone für das offene Land.

Sie ging fort um wie ein Hirte,

der sein Vieh einstallt,

die Schafe des Himmels (die göttlichen Kräfte) heranzubringen.

Die Zeichen ihrer Weiblichkeit,

die großen, bemerkenswerten,

gaben ihr Kraft.

Sie gaben ihr die Macht der Frauen,

die Macht, mehr zu fordern.

Sie gaben ihr die Macht, zu fordern,

was ihrem Ort zusteht.

Die große und verschlagene Frau wusste,

dass das Herbeibringen der göttlichen Kräfte

für den Ort notwendig war.

Uruk sollte von ihnen profitieren.

Dieses Schicksal verordnete sie ihrem Ort.

Als Inanna Eridu erreichte, machte sie Enki betrunken und brachte die göttlichen Kräfte (Me) nach Uruk, wo sie sie nutzte, um den Wohlstand der Stadt zu mehren. Dieser Coup markiert den Beginn von Uruks Aufstieg zur dominierenden Stadt Sumers. Allerdings führte Enkis Verlust der göttlichen Kräfte zu einer Katastrophe in Eridu und Ur bei der die beiden Städte überflutet wurden.

Da die Versorgung der Stadt Uruk mit Lebensmitteln ein begrenzender Faktor für das Wachstum einer Stadt ist, wollte Inanna als Herrscher an ihrer Seite einen Gott haben, der die Versorgung mit Lebensmitteln sicherstellen kann. Sie schwankte zwischen Enkimdu, dem Gott der Landwirtschaft, und dem Hirtengott Dumuzi. Sie entschied sich im Mythos „Das Werben von Inanna und Dumuzi“ schließlich für Dumuzi. Der Mythos beschreibt, wie Inanna zunächst Dumuzi verführte und dabei gleichzeitig das Ritual der „Heiligen Hochzeit“ zwischen Göttin und König etablierte, das später zu einem zentralen Element sumerischer Herrschaftslegitimation wird. Inanna sprach:

„Was ich dir sage, soll der Sänger in ein Lied weben.

Was ich dir sage, soll vom Ohr zum Mund fließen,

es soll von den Alten zu den Jungen übergehen:

Meine Vulva, das Horn, das Boot des Himmels,

ist voller Eifer wie der junge Mond.

Mein unbestelltes Feld liegt brach.

Was mich betrifft, Inanna, wer wird meine Vulva pflügen?

Wer wird mein Feld bearbeiten?

Wer wird mein feuchtes Feld pflügen?

Mich, die junge Frau, welcher Stier wird mich pflügen?“

Dumuzi antwortete natürlich, dass er es sei. Inanna wurde damit nicht nur Frau und Geliebte von Dumuzi, sondern blieb auch weiterhin die Schutzgöttin der Stadt:

„Ich will über dein Haus des Lebens wachen,

das Haus, der leuchtende, bebende Ort, der Sumer erfreut,

das Haus, das über die Geschicke des Landes entscheidet.“

Als Gegenleistung erwartete Inanna, dass sie mitregieren kann und dass Dumuzi bei wichtigen Entscheidungen auf sie hört:

„Im Kampf bin ich dein Anführer,

Im Kampf bin ich dein Waffenträger.

In der Versammlung bin ich dein Fürsprecher.

Auf dem Feldzug bin ich deine Inspiration.“

Im Mythos „Inannas Abstieg in die Unterwelt“ stieg Inanna in die Unterwelt hinab um die göttlichen Kräfte (Me) der Unterwelt, die noch nicht etabliert waren, für ihre Stadt wirksam zu machen. Ihr Vorhaben scheiterte jedoch. Um aus der Unterwelt wieder herauszukommen musste sie jemanden bestimmen, der als Ersatz für sie dortblieb. Sie entschied sich für ihren Ehemann Dumuzi, da er der Einzige war, der nicht um sie trauerte.

Um 2900 v. Chr. kam es mit der Sintflut zu einem weiteren einschneidenden Ereignis in ihrem Leben. Im Etana Mythos wählte sie Etana aus, der König von Kish zu werden, der ersten Stadt, die nach der Sintflut wieder aufgebaut wurde.

Inanna ging immer mehr dazu über, nicht die Götter als Könige regieren zu lassen, sondern die Menschen, die sie jedoch mit dem Ritual der heiligen Hochzeit eng an sich band. Ein besonders wichtiges Ereignis ist daher die Fällung des Huluppu-Baums durch Gilgamesch um 2600 v. Chr., wie im Mythos „Inanna und der Huluppu-Baum“ beschrieben. Aus dem Holz lässt sie ihr magisches Hochzeitsbett fertigen, in dem fortan die heiligen Hochzeiten der Könige mit ihr stattfinden sollten. Diese Episode markiert den Übergang von der direkten Herrschaft der Götter zur Herrschaft menschlicher Könige unter göttlicher Führung.

Inannas letzter großer Plan wird im Gilgamesch-Epos beschrieben: Um 2600 v. Chr. plante sie die Errichtung des Königreichs der Götter auf Erden. Dazu ließ sie eine Residenz der Götter in einem Zedernwald errichten. Enlil war eingeweiht und befahl dem Riesen Humbaba den Zedernwald zu bewachen. Von hier aus wollte sie über alle Königreiche herrschen. Da Gilgamesch dieses Vorhaben bedrohte, bat sie ihm an, ihr neuer Ehemann zu werden und an ihrer Seite zu herrschen. Da Gilgamesch dies ausschlug, versuchte sie ihn zu vernichten um ihr Projekt zu retten. Auch dies misslang ihr jedoch, was ihr Projekt zum Scheitern brachte.

Interpretation der Figur

Die mythologische Figur Inanna war vermutlich eine Kunstfigur mit der ein Founder sein Wirken auf der Erde in einer für die damaligen Menschen verständlichen Sprache erläutern wollte. Wir unterscheiden daher zwischen dem Founder Inanna und der mythologischen Figur Inanna.

Als Founder war Inannas zentrale Aufgabe vermutlich die systematische Entwicklung der städtischen Kultur, besonders durch die Etablierung von Uruk als wichtigem Machtzentrum. Sie nutzte dabei eine besonders raffinierte Methode der Einflussnahme: Statt auf direkte Kontrolle setzte sie auf emotionale und sexuelle Manipulation.

Die „Heilige Hochzeit“ war dabei mehr als nur ein religiöses Ritual. Als Founder konnte sie den Herrschern intensive erotische Visionen und Halluzinationen vermitteln, die diese als reale Begegnungen mit der Göttin erlebten. Diese Erfahrungen führten vermutlich zu einer starken emotionalen Bindung der Herrscher an sie, wodurch sie ihre Wünsche und Anweisungen bereitwillig befolgten.

Ihre Tempel dienten als Zentren für die Entwicklung des Fernhandels und der diplomatischen Beziehungen zwischen den Städten. Durch die Organisation der Tempelwirtschaft und die sorgfältige Auswahl der Könige übte sie erheblichen Einfluss auf die wirtschaftliche und politische Entwicklung aus. Ihre Rolle als Kriegsgöttin deutet darauf hin, dass sie auch militärische Konflikte strategisch nutzte, um ihre Ziele durchzusetzen.

Die historische Bedeutung ihrer Aktivitäten zeigt sich besonders in der Entwicklung komplexer politischer und wirtschaftlicher Strukturen. Das von ihr etablierte System der Herrschaftslegitimation durch religiöse Rituale wurde zum Vorbild für viele spätere Kulturen. Die große Zahl der ihr gewidmeten Mythen und die lange Dauer ihrer Verehrung deuten darauf hin, dass ihre Methoden der Einflussnahme besonders erfolgreich waren.

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