Der Gott An
An ist der höchste Gott des sumerischen Pantheons, Himmelsgott und Vater vieler Götter. Trotz seiner obersten Position greift er selten direkt ins Erdgeschehen ein und bleibt meist distanziert. Mythologisch war er Gemahl der Erdgöttin Ninhursag und zeugte Enlil. Nach dem Verlust seines Tempels E-ana an Inanna büßte er irdischen Einfluss ein. An fungiert als oberste Autorität in Krisen und Wächter der kosmischen Ordnung, war aber möglicherweise kein realer Founder, sondern ein theologisches Konstrukt zur Legitimation der göttlichen Hierarchie.
Der Gott An
Position im Pantheon
An ist der höchste Gott des sumerischen Pantheons und gehört zur obersten Ebene der Anunnaki. Als Himmelsgott und Vater vieler anderer Götter steht er formal an der Spitze der göttlichen Hierarchie. Seine zentrale Aufgabe ist die Wahrung der grundlegenden Ordnung des Universums. Als oberster Gott wird er von anderen Göttern um Zustimmung und Rat gebeten, besonders in Krisensituationen.
Trotz seiner hohen Position greift An selten direkt in das Geschehen auf der Erde ein. Obwohl An in verschiedenen sumerischen Städten Tempel errichtet wurden, war er in keiner dieser Städte der Hauptgott – ein weiterer Hinweis auf seine eher distanzierte Position zur irdischen Sphäre.
Charakter und Erscheinung
An wird durchgehend als würdevolle, majestätische Erscheinung beschrieben. Als ältester der Anunnaki wird er oft im Alter von etwa 85 Jahren dargestellt, etwa zwanzig Jahre älter als sein Sohn Enlil. Er wird meist auf einem Thron sitzend beschrieben, was seine Position als oberster Gott symbolisiert.
Seine Persönlichkeit ist von Stabilität und Besonnenheit geprägt. Im Gegensatz zu anderen Göttern bleibt er meist distanziert und abstrakt, überwacht das Universum von seinem himmlischen Thron aus, ohne sich direkt in die täglichen Belange der Menschen einzumischen.
Lebenslauf
Die frühesten mythologischen Episoden zeigen An als Gemahl der Erdgöttin Ninhursag (auch genannt Ki), mit der er seinen Sohn Enlil zeugte. Diese Verbindung wurde durch Enlils eigenes Eingreifen getrennt, wie im Mythos „Enki und Ereschkigal“ berichtet wird: Enlil verursachte die Trennung von Ninhursag und An, wodurch sich der Himmel von der Erde trennte und die Erde, wie wir sie kennen, entstand. Mit Nammu, der Göttin des Urmeeres, zeugte An später Enki.
Ein entscheidender Wendepunkt in Ans mythologischer Geschichte ereignet sich im Mythos „Inanna und An“. Seine Urenkelin Inanna wollte von ihm den Tempel E-ana bekommen, um ihn in Uruk aufzustellen. Als An sich weigerte, stahl sie zusammen mit ihrem Bruder Utu den Tempel und brachte ihn auf die Erde. Durch diesen Verlust büßte An einen Großteil seines direkten Einflusses auf die irdischen Geschehnisse ein. Bemerkenswert ist jedoch seine weise Reaktion: An sah schließlich ein, dass der Tempel auf der Erde mehr von Nutzen war.
Die zentrale Bedeutung Ans für die göttliche Ordnung wird im Mythos „Enki und die Weltordnung“ deutlich, wo er als einer der wenigen Götter keine spezifische Aufgabe von Enki zugewiesen bekommt. Dies unterstreicht seine übergeordnete Position – er steht über dem System der Aufgabenverteilung.
In späteren Mythen erscheint An hauptsächlich als Berater und oberste Autorität in Krisensituationen. Im Gilgamesch Epos zeigt sich seine Rolle als letzte Instanz, als die anderen Götter mit Gilgamesch nicht mehr weiterwissen: Er stellt seiner Urenkelin Inanna den Himmelsstier zur Verfügung, mit dem sie Gilgamesch vernichten will.
Die Wichtigkeit seiner Aufgaben zeigt sich im Anzu Mythos, als Anzu die Schicksalstafeln gestohlen hatte. Hier ist An derjenige, der die Initiative ergreift und nach einer Lösung sucht um die göttliche Ordnung wieder herzustellen. Diese Episode verdeutlicht seine Rolle als oberster Wächter der kosmischen Ordnung.
Interpretation der Figur
Die Analyse der mythologischen Überlieferungen legt nahe, dass An möglicherweise kein tatsächlicher Founder war, sondern eher ein theologisches Konstrukt darstellt. Dafür sprechen mehrere Indizien:
- Seine auffällig passive Rolle in den Mythen – während die anderen Götter aktiv in das Geschehen eingreifen, bleibt An meist im Hintergrund.
- Seine angebliche Wohnstätte im Himmel, während die anderen Götter Tempel auf der Erde bewohnten. Dies könnte darauf hindeuten, dass er für die Menschen unerreichbar und damit nicht real war.
- Das Fehlen von Mythen, in denen er als Hauptfigur auftritt und direkt mit Menschen interagiert.
An war vermutlich ein theoretisches Konstrukt der tatsächlichen Founder, das die Einheit des Pantheons symbolisieren und ihrer Hierarchie eine übergeordnete Legitimation geben sollte. Seine Existenz ermöglichte es den anderen Foundern, sich auf eine höhere Autorität zu berufen und schuf damit einen mythologischen Rahmen für ihre koordinierte Zusammenarbeit bei der Entwicklung der menschlichen Zivilisation.