Die Dämonen der sumerischen Mythologie

Der Adler Anzu, die Usumgallu Schlange und die Lilith gehören als die Bewohner des Huluppu Baumes wohl zu den bekanntesten Dämonen der sumerischen Mythologie.

Einleitung

Die sumerische Mythologie kennt eine Vielzahl dämonischer Wesen, die sich in zwei grundlegend verschiedene Kategorien einteilen lassen: Zum einen gibt es Dämonen, die im Auftrag der Götter handeln und deren Willen ausführen. Zum anderen existieren Dämonen, die eigenständig agieren und dabei unkontrollierbare Naturgewalten personifizieren. Während bei einigen Dämonen die Zuordnung zu einer dieser Kategorien nicht immer eindeutig möglich ist, folgt sie doch einem klaren Prinzip: Dämonen, die keine Naturgewalten verkörpern, handeln in der Regel im Auftrag der Götter.

Zu den göttlich beauftragten Dämonen gehört der mächtige Adler Anzu, der von Enlil damit betraut wurde, die Schicksale der Menschen in einer Weise zu lenken, die Enlils Vorhaben begünstigt – eine Rolle, die besonders im Mythos „Lugalbanda und der Anzu-Vogel“ deutlich wird. Auch die Usumgallu-Schlange zählt zu dieser Kategorie: Sie wird von den Göttern als Wächterin wichtiger Objekte eingesetzt. Die Galla-Dämonen sind ebenfalls klassische Vertreter dieser Gruppe – sie agieren als Vollstrecker im Dienst der Unterweltgöttin Ereschkigal.

Der Pasittu-Dämon hingegen gehört zur Kategorie der eigenständig handelnden Dämonen. Als Verkörperung der Gefahren, die Schwangere und Neugeborene bedrohen, agiert er unabhängig von göttlichen Befehlen. Bei der dämonischen Lilith (Lilitu) ist die Zuordnung weniger eindeutig – obwohl ihre genaue Rolle in der sumerischen Mythologie nicht vollständig geklärt ist, deutet vieles darauf hin, dass auch sie zu den göttlich beauftragten Wesen gehört.

Eine besondere Verbindung zwischen diesen verschiedenen dämonischen Wesen zeigt sich in der Geschichte des Huluppu-Baums (Mes-Baum). Dieser heilige Baum wurde zeitweise von Anzu, der Usumgallu-Schlange und Lilith bewohnt, bevor die Göttin Inanna ihn für sich beanspruchte. Diese gemeinsame Präsenz unterschiedlicher dämonischer Wesen am selben Ort unterstreicht die komplexe Natur der sumerischen Dämonologie.

In diesem Kapitel werden wir uns eingehend mit diesen verschiedenen dämonischen Wesen beschäftigen. Dabei wird besonderes Augenmerk darauf gelegt, wie sich ihr Status als göttlich beauftragte oder eigenständig handelnde Wesen in den überlieferten Texten manifestiert. Die Untersuchung ihrer spezifischen Rollen und Funktionen wird uns helfen, das sumerische Verständnis der Beziehung zwischen göttlicher Ordnung und den unkontrollierbaren Kräften der Natur besser zu verstehen.

Dämonen, die im Auftrag der Götter handeln

Der Adler Anzu

Anzu ist ein Adler-Dämon mit Löwenmerkmalen, der von Enlil beauftragt wurde, die Schicksale gewöhnlicher Menschen zu verfügen. Als ehrgeiziger Bewohner des Huluppu-Baums strebt er danach, sich den Göttern gleichzustellen. Er kann Menschen in den Himmel befördern und bricht seinen Eid mit der Usumgallu-Schlange. Seine Herkunft ist unklar. Als er die Schicksalstafel stiehlt, um selbst die Aufgaben der Igigi festzulegen, wird er von Ninurta im Kampf getötet.

Die Usumgallu Schlange

Die Usumgallu Schlange („starker Dämon“) ist eine dämonische Schlange oder drachenartiges Mischwesen, das heilige Orte bewacht. Es gab mehr als einen Usumgallu Dämonen. Einer von ihnen ist der unbestechliche Wächter des Huluppu Baumes. Um 2600 v.Chr. tötete Gilgamesch die Schlange, als er den Huluppu-Baum fällte.

Die Lilith

Die Lilith ist ein unsichtbarer Dämon, der vermutlich die Gestalt einer jungen Frau annehmen kann. Ihr Name leitet sich von „lil“ (Wind/unsichtbare Kraft) ab. Sie bewohnte den Huluppu-Baum, der als Tor zur Unterwelt dient, und beförderte wahrscheinlich Menschen dorthin – damit Götter deren Körper übernehmen konnten. Um 2600 v. Chr. vertrieb Gilgamesch sie beim Fällen des Baumes in die Berge.

Der Huluppu Baum

Der Huluppu-Baum, ein Baum mit dämonischen Eigenschaften, wurde später als Baum des Lebens bekannt. Er stammt aus der Unterwelt. Ereschkigal gab Enki den Samen als Symbol ihrer Vision: Der Baum sollte als Portal zwischen Unterwelt, Erde und Himmel dienen und, wenn er ausgewachsen ist, auserwählten Seelen ewiges Leben ermöglichen. Enki pflanzte ihn bei Eridu. Nach der Sintflut fand Inanna den entwurzelten Baum und brachte ihn nach Uruk. Dort bewohnten ihn drei Wesen: die Usumgallu-Schlange, der Anzu-Adler und Lilith. Jedoch ließ Inanna den Baum fällen bevor er vollständig ausgewachsen war.

Die Galla Dämonen

Die Galla werden als finstere, schattenhafte Gestalten beschrieben. Sie erscheinen als eine Gruppe von Dämonen ohne individuelle Merkmale. Ihre düstere, bedrohliche Erscheinung entspricht ihrer Funktion als Vollstrecker der Unterwelt.

Die Galla sind Unterweltdämonen, die im Dienst der Unterweltsgöttin Ereschkigal stehen. Ihre primäre Aufgabe ist es, als Vollstrecker der Unterwelt zu agieren. Sie handeln dabei nicht eigenständig, sondern führen die Befehle Ereschkigals aus oder folgen den kosmischen Gesetzen der Unterwelt. Dies wird besonders im Mythos von Inannas Abstieg in die Unterwelt deutlich, wo sie Inanna begleiten und nach einem Ersatzopfer suchen, das an ihrer Stelle in der Unterwelt bleiben muss.

Die Galla werden als unnachgiebige und pflichtbewusste Wesen dargestellt. Als Diener der Unterwelt führen sie ihre Aufgaben mit unerbittlicher Konsequenz aus. Dabei ist ihr Handeln eng an die Vorgaben und Interessen der Unterweltherrin gebunden.

Sonstige Dämonen

Der Pasittu Dämon

Das genaue Aussehen des Pasittu-Dämons (auch Pašittu oder Pashittu) ist in den überlieferten Quellen nicht eindeutig beschrieben.

Der Pasittu-Dämon verkörpert die Gefahren, die Schwangere, Gebärende und Neugeborene bedrohen. Anders als die Galla handelt er eigenständig und nicht auf Befehl der Götter. Seine Existenz wird nach der Sintflut erwähnt, als die Götter ein neues System zur Kontrolle des Bevölkerungswachstums einführen. Im Atrahasis Epos wird beschrieben, dass dem Pasittu-Dämon nun erlaubt wird, Kinder aus dem Schoß der Mutter zu reißen – eine Maßnahme mit der die Götter das Bevölkerungswachstum begrenzen wollten. Der Pasittu-Dämon ist somit die mythologische Erklärung für die hohe Kindersterblichkeit.

Der Pasittu-Dämon erscheint als unkontrollierbare, zerstörerische Kraft. Anders als Dämonen, die im Auftrag der Götter handeln, folgt er keinen göttlichen Anweisungen. Er verkörpert die wilden, chaotischen Aspekte der Natur, insbesondere die Gefahren und Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt. Seine Unberechenbarkeit wird in Beschwörungstexten besonders betont – er kann jederzeit und ohne Vorwarnung zuschlagen.

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